Gasshuku 2023

22 Fäuste für eine Handvoll Donner.

Ein subjektiver Lagebericht von Olli Schwab.

vom Münsterland ins Schwabenland

Für viele ist der Sommer die schönste Zeit im Jahr – genauer die erste Augustwoche. Aber nicht nur wegen des warmen Wetters, sondern natürlich, weil immer genau dann das Gasshuku stattfindet. Somit trafen sich elf Kämpferinnen und Kämpfer des SKDM auf verschiedenen Fahrtwegen dieses Jahr im beschaulichen Tamm. Viel zu sehen und zu bieten hat das kleine Städtchen auf den ersten Blick vielleicht nicht, aber dafür organisiert der lokale Turnverein als Ausrichter wieder einmal fünf Tage exzellentes Karatetraining, Verpflegung, Spaß und Unterhaltung. Und die Stadt selbst wird entsprechend Bühne für die rund 1000 Karateka, die das Stadtbild nun prägen sollten.

Wir fanden uns auf dem Campingplatz ein und schlugen bei strahlendem Sonnenschein am Nachmittag unser Lager auf, selbstverständlich mit dem obligatorischen Bier. (Das erste Fass war noch vor Ankunft aller Kämpfer bereits geleert).

Nach geglücktem Aufbau machten wir uns dann nochmal kurz mit der Umgebung vertraut. Direkt in der Ortsmitte reihten sich die schwäbischen Fressbuden und Ausschankwägen neben großen, weit gespannten Schirmen, die die gemütliche Atmosphäre eines Festzeltes brachten. Die Gelegenheit nutzen wir für einen Happen oder Getränk mit vielen bekannten Gesichtern, die man gefühlt immer wieder trifft. Die Erkundungstour zu den Hallen sparten wir uns, dann ließen wir den Abend gemütlich am Camp ausklingen.

An den folgenden Tagen galt es für das Training immer sehr früh aus den Federn zu kommen. Für manche der Gruppe begann die erste Einheit auch schon um 7 Uhr. D.h. entsprechend früh musste der Marsch oder die kurze Autofahrt zu den jeweiligen Trainingshallen bestritten werden.

Wie gewohnt wurden auch dieses Jahr vom Ausrichter insgesamt drei Hallen für die unterschiedlichen Graduierungsstufen bzw. Einheiten zur Verfügung gestellt.

Tag eins: Möge das Training beginnen

Für Thomas und mich stand die erste Einheit mit Giovanni Torzi auf dem Plan: Kanku Sho.

Der Ochi-Schüler der ersten Stunde wusste mit seiner Gelenkigkeit zu beeindrucken. Er veranschaulichte die Kata mit einprägsamen, bildlichen Vergleichen: Reflex des Wegziehens von einer Herdplatte – ein Ball, der in den Sand fällt und liegen bleibt – mit einer Scherbewegung im tiefen Kokutsu-Dachi den Schwerpunkt unten behalten.

Durch seine Beweglichkeit wurden die Techniken und Stände noch deutlicher veranschaulicht: Gleiten, Schwerpunkt verlagern und am Ende kurz anspannen. Ein toller erster Vorgeschmack für die kommende Einheit beim Maestro Grande und auch für das Gasshuku 2023.

Nach einer Kaffeepause und dem Karateplausch mit anderen Dojos ging es gleich mit hoher Starbesetzung weiter: Tatsuya Naka Sensei war mal wieder zu Gast und gab in seiner Einheit einen Einblick in das Wesen des Budo. Anhand von ein paar Stand- und Partnerübungen wurde erklärt, wie innere Energie, (sog. Ki) entsteht, wenn der Körper ganzheitlich eingesetzt wird, insbesondere die Bedeutung der Stabilität im Standbein, sowie das Ausnutzen von Gravitations- oder Zentrifugalenergie beim Beschleunigen. Eine Sequenz aus der Kata Jion wurde herangezogen, um dieses Ki-Prinzip dort anzuwenden. Ebenso darauf aufbauend eine abgewandelte Form der Taikyoku Shodan mit Beintechniken.

Eine sehr interessante Einheit, um die Körperschule des Budo zu verstehen, die sich vielleicht im Kern zum westlichen Kämpfen bzw. Sport dahingehend unterscheidet, dass Muskelkraft keine, und wenn dann nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.

Nach der Mittagspause gab es bei Julian Chees gleich eine Portion Go-hon Kumite, jedoch mit einem speziellen Rhythmus, chromatisch ablaufend (d.h. 5x Jodan, 4x Chudan, 3x Jodan usw). Was einfach schien, war wie gewohnt dann doch nicht ganz so einfach. Wie immer, wenn zunächst festgefahrene Muster durchbrochen werden müssen. Dies zeigt sich immer dann, man gefühlt wieder von vorne anfangen muss, und dies bei grundlegendsten Kihon-Übungen. Eine entlarvende Wahrheit. Dort beginnt Karate.

Der Trainingsteil des Tages war nun geschafft und ehe es zum Campingplatz zurückging, musste natürlich ein Stopp am Bierstand eingelegt werden.

Abends ging es dann zusammen in Halle 1 zum Ländervergleichskampf, d.h. Kräftemessen zwischen den fünf Stützpunkten des DJKB. Es gab spannende Begegnungen und großartige Leistungen aus allen Disziplinen! Dies wussten insbesondere auch die Japaner zu schätzen, die (zwar sparsam, aber immerhin vereinzelt) sogar auch mal Beifall klatschten z.B. für eine schöne Kata oder eine Ippon-Technik. Allgemein war es eine sehr lebendige Veranstaltung, in der das JKA-Karate einmal in voller Bandbreite und Energie geboten wurde. Auch die Einleitung durch den lokalen Fanfarenzug hat die Veranstaltung für den Moment veredelt.

Später machten wir uns gleich an unsere Kochkünste auf dem Campingplatz. Es gab improvisierte Eier-Gemüse-Wraps und natürlich das ein oder andere Gläschen Wein. Zudem wurden wir Zeugen von einem mysteriösen Spektakel: ein stark leuchtender senkrechter Laser-Lichtstrahl erschien und durchstieß die Wolken. Wenn man daran glaubte, sah man ein Ufo im Himmel, das schwebende Kühe nach oben brachte – vermutlich war das aber eher die Strahlkraft des Weins. Der Rest der Truppe kehrte bei einem lokalen Italiener ein, und entsprechend spät wieder zurück. (der Wein war dort wohl auch gut!)

Tag zwei: 50/50 gibt es nicht

Der Tag begann mit Julian Chees und der Kata Chinte. Eine schöne Kata, insbesondere um den Kreislauf und den Brummschädel in Schwung zu bringen. Chees hatte wie oft den Fokus auf der Dynamik einzelner Techniken und Übergänge, um die Kata auf natürliche Art fließen zu lassen. Weiter folgte noch eine Kiri-Kaeshi-Anwendung mit Griff und Kontertechnik. Jetzt waren wir definitiv wach.

Nach der Pause folgte eine Kumite-Einheit bei Pascal Senn. Wie auch schon beim Kata-Spezial ist die Einheit bei Pascal kognitiv und vor allem konditionell sehr fordernd. Eine simple Kihon Übung aus zwei Jodan-Angriffen und Block/Kontern wurde aufgebaut und erst mit einem, dann als Happo- Anwendung mit mehreren Partnern gesteigert. Es ging dabei um blitzschnelle Reaktion beim Erfassen der Auslage, d.h. der Beinstellung des Partners, um dann den entsprechenden Angriff mit der dafür vorgesehenen Technik zu kontern. Insbesondere der Block mit Gyaku-Haiwan-Uke und Konter Kizami war etwas ungewohnt, festigte sich aber mit jeder Wiederholung mehr. Zum Glück hatten wir auch gute und fordernde Trainingspartner beim Happo-Kumite – so macht es am meisten Spaß.

Die Dritte Einheit für heute belegte unser Stützpunkttrainer Andreas Klein. Der Schwerpunkt in seiner Einheit lag hier im Kräftefluss und Einsatz des gesamten Körpers in die Technik, und dabei bewusst ein Verlassen der gewöhnlichen Kihon-Ausführung. Konkret: beim Shoko-Zuki im Stand bewusst die jeweilige Hüftseite nach vorne (Hamni) bringen, (sozusagen fast Kizami-Zuki) und dadurch eine 50-50 Gewichtsverteilung zu durchbrechen. Es soll dadurch verhindert werden, dass durch die Hiki-Te-Bewegung eine unnötige Teilung der Energie und dadurch Schwächung der Schlagtechnik entsteht.

Anhand einer Kombination aus Zukis im Stand und Standwechseln, Drehung, wurde dieses Prinzip verinnerlicht. Ein sehr spannender Fokus, grade im Hinblick auf die Bedeutung und Verflechtung von einer natürlichen Kumite-Dynamik ins Kihon oder die Kata.

Der Rest vom Nachmittag wurde gemütlich im Camp oder in der Ortsmitte verbracht.

Auf der längeren Suche nach einer adäquaten Einkehr für das Abendessen mit schwäbischer Küche, verschlug es uns dann doch wieder zu einem Italiener, da ein Großteil der Tammer Restaurants dienstags wohl geschlossen sind.

Gestärkt ließen wir den Abend am Camp ausklingen. Kaum zu glauben, dass morgen schon Halbzeit ist.

Tag drei: Muster sind da, um durchbrochen zu werden.

Gleich am Morgen begrüßte uns wieder Pascal Senn, dieses Mal mit der Kata Gangaku. Aufgrund der verkürzten Trainingszeit (durch einen etwas verzögerten Zeitplan) ließ er – wie er mitteilte – ein bis zwei Übungen aus und startete gleich in die Kata mit dem charakteristischen Thema Manji-Uke im Tsuru-Ashi-Dachi als Kihon-Trockenübung. Diese und noch eine weitere Kihon-Sequenz bildeten den Umfang, um die wesentlichen Schwerpunkte der Kata herauszuarbeiten. Anschließend noch 2 Anwendungen rundeten die Einheit ab und brachten den Kreislauf nochmals richtig in Schwung.

Da heute der Dritte Tag war, also Halbzeit, standen auch nur insgesamt zwei Einheiten auf dem Plan. Thomas Schulze arbeitete sich mit uns an einer Kumite-Übung ab, bestehend aus 3 verschiedenen Jodan-Angriffen (Kizami-, Gyaku- und Oi-Zuki) sowie den entsprechenden Abwehr- oder Gegenangriffen (im Unterschied zum Konter!). Hier offenbarten sich zunächst wieder die alten Angewohnheiten (z.B. Verfall in einen bequemen Rhythmus), ehe diese bewusst durchbrochen wurden, nach gebetsmühlenartiger Manifestation des Credos: Der Angreifer gibt das Kommando durch die erste Bewegung, und der Verteidiger bleibt aufmerksam und so lang wie möglich regungslos.

Ein Teil unserer Gruppe wagten an diesem Nachmittag einen Trip in die benachbarte Landeshauptstadt Stuttgart, um sich vom Schweiß und Training einem gepflegten Kunst- und Kulturprogramm zu widmen. Die Ausstellung im Kunstmuseum bildete eine angemessene Abwechslung, auch wenn wir uns immer wieder mit gestellten Fotomotiven (inszenierte zerschmetterte Glasscheiben etc.), mit der dort gezeigten Kunst auseinandersetzten. So ganz kann man sich ja vom Training im Kopf nicht trennen (bzw. ist das überhaupt möglich?)

Gleichermaßen nutzen wir die Gelegenheit, einmal im Waschsalon unsere Arbeitskleidung zu reinigen. Das hat sich gelohnt!

Nach dem Trip kehrten wir dann auch endlich mit der gesamten Gruppe in ein traditionelles schwäbisches Wirtshaus ein. Sehr lecker! Und Viktor schoss den Vogel ab mit einem Sonder-Flatrate-Angebot. Er schaffte 4 Teller mit je 2 Schnitzel und Pommes!

Tag vier: von der Schildkröte lernen

am Vorletzten Morgen hieß uns nochmals Thomas Schulze willkommen, heute mit der Kata Gojushio-Sho. Er arbeitete mit uns stark an der Form und an den wesentlichen Aspekten, die diese lange Kata auszeichnen. Z.B. spielt sich die Kata durchweg auf einem gleichbleibenden Höhenniveau ab, das es ab der einleitenden Uraken-Technik zu halten gilt. Und dies natürlich (oder grade) bei den langsamen Schrittwechseln. Wichtig ist es dabei auch immer die Atmung zu nutzen, insbesondere bei den Sanbon-Techniken (in einem Atemzug). Die Kata soll als großes Ganzes ohne überflüssige Bewegungen und Atemzüge verstanden sein. Und genau hierin liegt die Schwierigkeit: Eine durchgängige, aufeinander abgestimmte Einzelperformance anstelle nur aneinandergereihter Einzeltechniken. Das gilt natürlich grundsätzlich für jede Kata, jedoch spielt dies grade bei den längeren Katas eine noch wichtigere Rolle.

Weiter ging es nach der kleinen Frühstückspause nochmals mit Giovanni Torzi. In seiner zweiten Einheit wurde eine komplexe Partner-Kombination Schritt für Schritt aufgebaut. Es ging jeweils um die Angriffs-Prinzipien und Unterschiede zwischen Go-no-Sen, also Gegenangriff nach Angriff, Sen-no-Sen, dem Gegenangriff im Moment des Angriffs (hier als Deai) sowie Sen-Sen-no-sen, also dem Gegenangriff vor dem Moment, d.h. dem Erahnen des Angriffs. Insgesamt wurden nacheinander 6 Angriffe mit verschiedenen Auslagen und Richtungen, und darauf die entsprechenden Gegenangriffe ausgeführt. Eine kognitiv extrem fordernde Übung, bei welcher insbesondere die Reaktionszeit mal wieder die tragende Rolle spielte.

Nun hieß es aber erstmal Daumendrücken für Mohammed, der grade seine Prüfung zum 1.Dan absolvierte und – wie sich später herausstellen sollte – natürlich auch mit Bravour bestanden hat!

In der dritten Einheit bei Yuko Hirayama, ging es, ähnlich wie bei Naka-Sensei auch hier um ein Grundverständnis darüber, Kraft bzw. Energie aus Bewegung zu generieren. Hier die Verschiebung des axialen Schwerpunkts, z.B. beim Schrittwechsel oder beim Verlagern des Körpergewichts. Beim Drehen mit “Schneid”-Bewegung um die Mittelachse, bei welchem der Schwerpunkt in der Mitte bleibt.

Peitsch Bewegungen durch Hervorschleudern der Technik. Sie verglich dieses Prinzip tatsächlich mit der “Kamehameha”-Technik aus Dragonball, also dem “Nachvornewerfen” der Energie. Hier musste Übersetzer Schlatt auch zugeben, Dragonball noch nie gesehen zu haben, und daher nicht wisse, was dies ist. Nur, dass “Kame” Schildkröte heißt. Tja: Die Insider wissen natürlich von Son Goku und seinem Meister, dem Herrn der Schildkröten, welcher permanent einen schweren Schildkrötenpanzer auf dem Rücken trägt, um sich ständig dem Training ausgesetzt zu sein.

Das Wichtigste, bei diesen Kihon-Prinzipien von Hirayama war das Verständnis, dabei nicht mit Muskelkraft zu arbeiten und dies auch entsprechend auf die Kata zu übertragen. Hirayama veranschaulichte dies an einigen Beispielen aus den bisher behandelten Katas. Mal wieder eine sehr intensive Einheit zum Erlernen und vor allem Wiederholen sehr guter praktischer Grundübungen für das Kime.

Die obligatorischen Fotos mit dem japanischen Karatesternchen durften nicht fehlen. Daher hieß es danach erstmal taktisch Schlange stehen bis man zum Zug kommt – oder anders: charmantes Vordrängeln und immer dabei lächeln. Dies Hatte jedenfalls funktioniert.

Was auch funktionierte, war ein angemessenes Abendprogramm zu finden, bei dem jeder auf seine Kosten kam. Mohammed und Viktor machten einen kleinen Spaziergang zum nächstgelegenen Aussichtspunkt (nach einer erfolgreich absolvierten Dan-Prüfung schwebt man ja schließlich auf Wolke 7) und ein anderer Teil der Gruppe fuhr zu einem chinesischen Restaurant mit All-you-can-eat-buffet. Anschließend trafen wir uns nochmals zum gemeinsamen Ausklang am Camp, das nun mittlerweile ohne Pavillon auskommen musste, da dieser tagsüber dem Sturm leider nicht standhielt. All zu spät wurde es nicht und wir landeten bald in den Federn.

Tag fünf: von Liegestützen bis Limbo

Der letzte bescherte uns nochmal Nervenkitzel und abwechslungsreiches Training.

Wir marschierten somit in die Trainingshalle zu einer weiteren Einheit bei Andi Klein und der Kata Nijushiho. Ähnlich wie in seinem ersten Training am Dienstag war die Schwerpunktverlagerung und Gewichtsverschiebung das Hauptthema, auf welches die Kata etwas angepasst wurde. Das Gewicht sollte grundsätzlich immer auf der schlagenden Seite liegen und die Hüfte wie gewohnt nach vorne bringen. Die Ausholbewegungen sollten heute locker mit Haishu anstelle Shuto ausgeführt werden. Ziel sollte es sein, die Kata als Kampf zu denken und die Anwendung zu “spüren”, was auf diese Weise spürbar vermittelt werden konnte.

In der folgenden Trainingseinheit heizte Toribio Osterkamp nochmal kräftig ein, ähnlich wie bei Julian Chees mit einer abgewandelten Form des Gohon-Kumite, die Schritt für Schritt aufgebaut wurde. Mit jeweils 3 verschiedenen Angriffstechniken, einem Richtungswechsel und freier Kontertechnik forderte uns diese Übung auch nochmal geistig, insbesondere da Toribio wie gewohnt dabei auch Sauberkeit in den Techniken bei blitzschneller Reaktion voraussetzte, und dies entsprechend einforderte. Zudem wurden seine Kommandos immer schneller, und die Übung wurde entsprechend konditionell gesteigert. Eine sehr interessante, wenn man so will, “klassische” Übung, um auf vielen verschiedenen Ebenen des Karate intensiv gefordert zu werden.

Das Abschlusstraining gab nochmals Naka Sensei, der sich zwar etwas verspätete, jedoch nochmals eine brillante Einheit zum Besten gab und damit einen sehr schönen und würdigen Abschluss des Gasshukus 2023 bildete.

Inhaltlich griff er nochmals die Schwerpunkte seiner vorigen Einheit vom Montag auf und ließ uns anschließend diese Prinzipien zunächst an einer Kihon Sequenz, dann am Partner und schließlich anhand der Kata Sochin verinnerlichen. Dabei ging es erneut intensiv um das bewusste Anwenden und Aufnehmen von “Ki”, der sogenannten inneren Kraft bzw. Energie. Beispielsweise stützte sich ein Partner aus der Liegestützposition auf die Unterarme des anderen, in kniender Position. Selbiger sollte zunächst mit Muskelkraft und anschließend mit der inneren Energie den Partner nach oben drücken. Dreimal dürft ihr raten, was besser funktionierte. Ich persönlich verhalf mir dabei intuitiv noch mit einem intensiven Kiai, was den Kraftfluss noch deutlich verstärkte. Sehr spannend, zu was man in der Lage ist, wenn man das innere körperliche und geistige Zentrum auf diese Weise “aktiviert” – eine schöne kleine Offenbarung zum Schluss.

Anschließend standen wir nochmal taktisch Schlange für das Star Foto mit Autogramm und dann verließen wir die Halle.

Nun hieß es Daumendrücken für unsere 5 Prüflinge, denn heute Nachmittag standen Gürtelprüfungen an: Petra, Rosa, Lena und Viktor zum 5.Kyu und Yun zum 8.Kyu. Mohammed ist wie erwähnt bereits einen Tag zuvor angetreten und wartete nun noch auf das Ergebnis.

Um’s kurz zu machen: Die Prüfungen liefen sehr gut und alle durften auch sehr zufrieden sein nach dieser Woche intensivem Training!

Wir warteten nun gemeinsam auf die Bekanntgabe der Dan-Ergebnisse und der obligatorischen Übergabe der Urkunden. Um es nicht zu stark in die Länge zu ziehen, appellierte Thomas Schulze nochmals an unseren Pragmatismus und bat darum, nicht zu applaudieren, sondern mit einem schlichten “Oss!” zu gratulieren. Doch Mohammed kurz abzufeiern, ließen wir uns natürlich nicht nehmen! Gratulation!

Und endlich geschafft! Offiziell hatten nun alle die Urkunde in den Händen, daher durfte ein kleiner Umtrunk nicht fehlen. Obwohl es kurz vorher zu regnen begann, minderte dies die Stimmung keineswegs! Thomas und ich hatten ja schließlich ein bisschen kühlen Sekt im Gepäck. Das ist schließlich das mindeste, was man an Beistand leisten kann!

Wir überbrückten die Zeit bis zur Abschlussparty beim Kebab-Imbiss und machten uns anschließend am Camp noch etwas schick, ehe es dann wieder Richtung Rathausplatz ging, dieses Mal ganz ohne Sporttasche und Karate-Gi im Gepäck (ungewöhnlich).

Es dauerte ein wenig, bis die Party in Schwung kam, aber nach 1-2 Stunden und den ersten Gläsern Wein oder Bier nahm die Stimmung auch langsam Fahrt auf. Der DJ machte einen guten Job mit einem soliden gewählten bunten und tanzbaren Mix durch alle Genres und Jahrzehnte. Und auch der sportliche Teil darf hier nicht unerwähnt bleiben: Zwischendrin gab es immer wieder Extraeinheiten Limbo, Breakdance und Polonaisen durch die Halle, zu welchen sich alle gerne mitreißen ließen. Bei guter Stimmung vergisst man die Zeit, wie gewohnt, daher wurde es an diesem Abend mal wieder etwas länger.

Irgendwann torkelten Yun und ich zum Camp zurück und vielen direkt ins Zelt, Lena und Viktor blieben noch.

Tag 6-8: Eine Extraportion Bergluft

Am nächsten Tag hieß es wieder Aufbruch ins Münsterland, zumindest für einen Teil der Truppe. Für den anderen Teil (Thomas, Oli Lich, Lena, Viktor, Yun und mich) hieß es Aufbruch nach Frankreich in die Vogesen!

Noch beflügelt und etwas ausgelaugt vom Gasshuku hatten wir uns noch eine mehrtägige Wanderung durch die Natur vorgenommen.

Thomas hat hier wieder eine spitze Vorarbeit geleistet beim Planen der Tour und vor allem der Buchung von adäquaten Unterkünften!

Wir verbrachten noch 3 schöne Tage in Wandermontur und legten jeden Tag ca. 20km und insg. 1000 Höhenmeter zurück.

Als eine schöne Abwechslung zur stickigen Trainingsluft, wanderten wir vorbei an Obstbäumen, Wäldern, Wiesen, Kühen und tollen Natur-Spots. Leider brauchte man zwar oft ein wenig Fantasie, da Regen und Nebel ein Rundum-Panorama nur selten zuließen, jedoch nutzen wir immerhin die Gelegenheit für ein paar Yoko-Geris in der Luft oder Tsukis unterm Wasserfall. Das sind schließlich die besten Fotomotive. Nach dem Training ist vor dem Training.

Nach einer guten Einkehr, einer geruhsamen Nacht und der letzten Tagestour zurück zum Startpunkt, machten wir uns dann schließlich auch auf den Rückweg gen Westfalen.

Ein sehr schönes Erlebnis nach einer großartigen Woche Schweiß und Training! Nächstes Jahr gerne wieder!

Oss!

Für alle die jetzt Lust bekommen haben, auch mal an einem Gasshuku teilzunehmen:

Kata Spezial 2022 in Magdeburg:

wildes Magdeburg

Los ging’s am Mittwoch, ausgeschlafen und mit großer Vorfreude auf die kommenden Tage, die nun endlich wieder stattfinden können, da es aus bekannten Gründen in den letzten 2,5 Jahren leider nicht möglich war.

17 höchstmotivierte Karateka aus dem Shotokan Karate Dojo Münster e.V. fuhren auf verschiedenen Wegen über Straße und Schiene in das Land der Frühaufsteher (das ist der Slogan von Sachsen-Anhalt), genauer in die Landeshauptstadt Magdeburg.

Die Stadt wirkt auf den ersten Eindruck etwas “wild zusammengewürfelt”. Gründerzeithäuser reihen sich mit monumentalen stalinistischen Stadthäusern und funktionalen Plattenbauten an mittelalterlichen Kirchen, Wehrtürmen und bunter Architektur von Hundertwasser. Die Landsleute sind ausgesprochen freundlich, hilfsbereit und angenehm pragmatisch. Sogar unsere Taxifahrerin hat aus der Fahrt Richtung Campingplatz eine kleine Standführung gemacht. Trotz der späten Ankunft, abweichend von den regulären Öffnungszeiten, durften wir schon das Lager aufschlagen.

Die meisten unserer Truppe waren in Hotels verteilt im Zentrum bzw. in der Nähe der Trainingshallen – und wir vier Survivler (Hannes, Pani, Thomas und ich) hatten auf den letzten Drücker noch einen Platz am traumhaften Campingplatz Jersleber See, Nordwestlich vom Zentrum gebucht. Der war zwar 20 Fahrminuten von den Trainingshallen entfernt, aber hatte dafür eine sehr entspannte Atmosphäre.

Dieses mal waren auch die beiden Hallen (Dan – und Farbgurte) ca. 20 Minuten zu Fuß voneinander entfernt.

dressierte Raubkatze

Der Trainingstag begann relativ gemütlich bei lauen 15°C, sonniger Morgenstimmung und etwas Restverspannungen im Nacken, nach der ersten Nacht im Zelt – Ja, man spürt die Knochen, grade wenn man feststellt, dass es vielleicht nicht so klug war, damals zur günstigsten Luftmatratze gegriffen zu haben. Nach einer Kaffeelänge und kleiner Stärkung ging’s dann Richtung Trainingshalle, um die erste Einheit bei Toribio Osterkamp zu besuchen.

Selbiger schien für seine Verhältnisse sehr entspannt und (noch) in sich ruhend zu sein. Nach 2,5 Jahren Pandemie und Kata-Spezial bzw. Gasshuku-Abstinenz sollte man es ja auch schließlich erstmal gemütlich angehen lassen.

Aber die ersten Tsukis wurden geschlagen, die Kiais vertrieben die letzten ruhigen Momente und schon war der gute alte Spirit wieder da! Hinsetzen – Zuhören – Aufstehen – Mitmachen – alles Geben – an die Grenzen gehen! Toribio lieferte wieder tolle Inspiration, neue Blicke auf die Kata (hier: Bassai Sho) mit entsprechenden Anwendungen, und sehr anmutende Vergleiche zu wilden Raubtieren: Es war eine offene Fragerunde, welche Eigenschaften einen Tiger auszeichnen, und warum diese so enorm wichtig sind für das Training. Man erinnere sich an den Shotokan-Tiger und ganz wichtig: den Kreis, der ihn umschließt, denn das symbolisiert die Ordnung, die Vernunft, die volle und bewusste Absicht die Techniken auszuführen.

Danke für diesen ersten super Einstieg!

Nach der ersehnten Dusche und dem obligatorischen Umkleiden-Talk unter Karatekas ging’s dann wieder Richtung Mensa bzw. Schulhof. Denn dort waren nun auch schon die Fress- und Getränkebuden warmgelaufen. Die Herren hinterm Grill und der Fritteuse hatten gut zu tun!

Auch die kultigen 80er Schnulzen aus den Boxen versüßten die Stimmung. Ein DJ mit Leidenschaft – das wird uns später am letzten Abend noch bewusst werden!

der schwirrende Elefant

Weiter ging es in die zweite Einheit bei Naka Tatsuya oder einfach “Naka Sensei”, ihr wisst schon – dem Sternchen, der auch schon in Karatefilmen mitgespielt hat 😉 Aber es sollte gleich nach den ersten Minuten klar sein, dass er auch mehr kann als “nur” Schauspielern (abgesehen davon, sind seine Techniken im Film exzellent!). Er lebt Budo aus dem tiefsten Inneren! Schon bei den Vorübungen wurde vermittelt, was Budo ausmacht und unterscheidet vom “Kampfsport”. Es liegt in einem Grundverständnis der Anatomie, der Knochen und Gelenke, dem Einsetzen von Schwerkraft, Atmung und Dynamik und eben nicht von Muskelkraft. Selbst beim Ausführen der Stände wurden sehr spannende Erläuterungen vermittelt. Weg von der kompletten äußeren (Kiba-Dachi) oder Inneren (Kokutsu-Dachi) Spannung, und hin zur Betrachtung der einzelnen Glieder und Positionen: Spannung der Unterschenkel spiralförmig nach innen und Oberschenkel spiralförmig nach außen. Viel zu schwierig dies in Worte zu fassen. Aber es war verblüffend, wie gut das funktioniert hat und wie erleuchtend doch so manche Übung war, wenn es durch die passenden Hinweise plötzlich “Klick” gemacht hat.

Grade bei der Kata (hier: Sochin), in welcher man ja schnell dazu neigt, zum Elefanten zu werden, wurde durch die passenden Vorübungen eine Balance zwischen Stabilität und Dynamik erzeugt, in der man gradezu von einer Leichtigkeit beflügelt, durch die Kata schwirrt, ohne dabei die Akzente zu vernachlässigen.

Ein toller erster Trainingstag! Viel Input, große Anstrengung und Begeisterung!

Gegen Abend sind wir alle zusammen in ein asiatisches Restaurant eingekehrt, endlich in der kompletten Runde, da man sich sonst nur vereinzelt zwischen den Einheiten sehen konnte.

Das Essen war sehr lecker – und der Wein erst! Und wir waren nicht die Einzigen, die hier in lebhafter Stimmung das Ambiente genossen: Nebenan waren die Magdeburger mit Ehrengast Naka immer wieder beim Anprosten zu hören: “Kanpai!” und “Oss!”. Also auch (oder grade!) Großmeister wissen wohl, dass der Zustand von lockerer Heiterkeit und Ausgelassenheit mindestens genauso wichtig ist, wie die komplette Konzentration während dem Training. So ähnlich haben wir das auch gesehen, denn die Stimmung hielt über die wilde Rückfahrt an, bis wir in den Federn waren.

der verdrehte eiserne Reiter

Der zweite Tag startete halbwegs routiniert, auch mit viel zu wenig Schlaf und einem zu schweren Kopf. Aber das soll ja bekanntlich kein Grund sein, nicht motiviert ins Training zu gehen. Thomas stand zeitlich etwas unter Druck (er glaubte es zumindest) und trat entsprechend aufs Gaspedal während der Hinfahrt. Nachdem ihm Hannes offenbarte, dass seine Einheit erst einen halbe Stunde später startete, machte sich Erleichterung breit. (Also: Anspannung – Entspannung, im Training, wie im Privaten).

Es war bei den Braungurten mal wieder Training bei Toribio Osterkamp auf dem Plan. Dieses Mal die Kata “Tekki Nidan”, also die zweite im Bunde der “eisernen Reiter”.

Gleich zu Beginn wurde die Gruppe  in zwei Hälften, mittig längsseitig getrennt, sodass sich immer jew. 6 Personen je Seite gegenüberstanden. Die Kata wurde von Anfang an Standard sowie Ura, also seitenverkehrt beigebracht. Dieses didaktische Prinzip war einer der Schwerpunkte der Einheit, denn das zog sich bis zum Schluss durch und schien tatsächlich für einige eine ganz neue Erfahrung zu sein, obwohl sich diese Kata von Natur aus sehr dafür eignet. Grundsätzlich sollte das generell viel stärker in en Mittelpunkt des Trainings rücken, hatten wir uns danach in der Umkleide ausgetauscht, zur kognitiven Förderung, sowie grundsätzlich auch für ein besseres Training und besseren Techniken. Denn wer würde schon abstreiten, dass manche Techniken, die aus den Katas aufgrund der Form immer nur von einer Seite erfolgen, nicht genauso effektiv von der anderen ausgeführt und verinnerlicht werden müssten, um sie später in der Praxis, also im Freikampf auch genauso intensiv umsetzten zu können.

Man ging hier sichtlich sehr reflektiert aus dieser Einheit.

Kurz danach war tatsächlich mal für eine längere Zeit Sonnenschein, den wir für eine kleine Einkaufstour sowie einen Besuch der Trainingshalle 1 (Danträger-Halle) nutzten, um mal wieder schön mit den Bierbank-Sitznachbarn aus anderen Dojos ein paar Anekdoten auszutauschen. Ja – Nerds und Freaks gibt es überall, und das ist auch gut so.

4 Vitalpunkte für ein Hallelujah

Wir kehrten zur Halle zurück, schmissen uns in Uniform und starteten in die offizielle zweite Einheit an diesem Tag – Chinte bei Jean-Pierre-Fischer. Fischer verfolgt auf den ersten Blick eine etwas gewöhnungsbedürftige Lehrmethode: Nämlich die Kata erst im Stand, also im Shizentai bzw. Heiko-Dachi, nur mit dem Oberkörper, und danach erst in Kombination, also samt Schritten durchzuführen. Nach ein paar Durchläufen wurde dann, ähnlich wie beim Ura-Laufen, klar, dass sich dabei ein extrem wichtiger Effekt verbirgt: Nicht den Körper gedanklich “trennen” sondern im Gegenteil: die Kraft im Stand genauso wie bei einer Bewegung zu verwenden, denn die Hüftarbeit und die Energie aus den Knien bzw. Füßen, sollen nach wie vor Ihre Funktion behalten. Super wichtig, sich dies auch, oder gerade mit solchen radikalen Methoden nochmals zu verinnerlichen. Die Techniken von Fischer sind so glasklar, perfekt und messerscharf ausgeführt, wie von einer Maschine – und dies meine ich mit nichts als größtem Respekt (denn die Maschine ist 72 Jahre alt!). Genauso gestochen scharf sind die Anwendungen, die er uns, insbesondere den weiblichen Teilnehmern nahelegte. Denn die Kata hat oft Vitalpunkte wie Augen, Nasenbein, Nieren, Rippen, Handgelenk oder Halsschlagader zum Ziel, welche, so Fischer, von körperlich unterlegeneren Menschen, sehr effektiv genutzt werden können.

Immer wieder beim Vormachen setzte dann das Kopfkino ein: *Autsch! – Igitt! – Fies! – Bitte nicht!*

Eine sehr bereichernde Einheit. Merci beaucoup, grand Seigneur!

Eine extra große Himmelschau

Kurz vor der Einheit bei Fischer, entstand die spontane Idee, gleich danach in Montur zu bleiben, und nochmals einen Einheit bei Naka, jedoch bei den Violettgurten zu besuchen. Um ein vermeintliches Stigma kurz aufzulösen, ging ich zum nächsten Dan-Träger der Magdeburger Fraktion und fragte nach, worauf es eine kurze aber sehr entgegenkommende, geradezu befürwortende Antwort gab, als höher Graduierter gerne die Einheit der nieder Graduierten zu besuchen, wenn Platz ist.

Es sollte sich später auch tatsächlich als integrativ und fast schon nützlich erweisen, da in den letzten 15 Minuten kleine Kata-Teams gebildet wurden, in welchen die Braun- oder Schwarzgurte mit den Violettgurten den Ablauf dieser langen Kata verinnerlichen sollten.

Ein positiver Trainingseffekt in vielerlei Hinsicht also!

Der Schwerpunkt der Einheit lag dieses Mal auch ganz klar auf dem Ablauf sowie der Dynamik in einzelnen Kombinationen und Wendungen. Hervorzuheben den Gedanken der fließenden Bewegung in Form einer 8 beim Wechsel Shuto-Gedan-Barai links und Shuto-Jodan-Uke rechts in Shuto-Uchi rechts und Shuto-Jodan-Uke links und natürlich der extrem tiefe Kokutsu-Dachi beim Gedan Shuto-Uke nach dem Herabfallen auf den Boden.

Wieder einmal grandios: Domo Arrigato, Naka Sensei für diese tolle Extra-Einheit!

Den Abend verbrachten wir dieses mal am Campingplatz, um zu grillen und mal wieder ein bisschen zu Feiern. Unbeabsichtigt zogen wir vermutlich die Aufmerksamkeit etwas auf uns. Woran das wohl gelegen hat? 😉 …

Der längste Schrittwechsel

Da kam doch die erste Einheit am Samstag grade richtig, um den Körper und Kreislauf wieder in Fahrt zu bringen. Nach ein paar Vorübungen mit Tsukis (erst von Heiko-Dachi, dann seitlich in Kiba-Dachi “fallen” sowie wieder durch Kompression der Gesäßmuskulatur nach oben schnellen) wurden anschließend gleich die ersten Sequenzen der Kata Nijushiho mit Thomas Schulze und Ochi Sensei auseinandergenommen. Tiefe Stände, Hebel nach oben und eine lockere, freie Windmühl-Bewegung der Arme, die sich in einem Yama-Tsuki im Sanchin-Dachi festigt.

Fokus auf der Kata war, die Dynamik der Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen bei gleichbleibender Höhe. Das wurde entsprechend noch “auf die Spitze getrieben” beim Schrittwechsel aus Kiba-Dachi (mit Empi-Uchi) und der Endposition im Kokutsu-Dachi mit mind. 5 Sekunden Dauer. Der Glue dabei: Nach dem Kiba-Dachi das Gewicht seitlich verlagern in einen kurzen Zenkutsu-Dachi als Zwischenzustand, um mehr Dynamik zu erhalten. Das ganze wurde dann entsprechend Nonstop 5 Minuten lang wiederholt. Und wiedermal spielte sich dabei langsam der Effekt der immer besseren und effizienteren Technik ein, auch wenn die Oberschenkel brannten.

Eine lehrreiche Erfahrung, die sich bestimmt in anderen sonstigen Schrittwechseln und Wendungen anwenden lässt. Super Einheit!

der verlorene Gürtel#

Aus unerklärlichen Gründen hatte es mein Gürtel an diesem Tag wohl nicht in meine Trainingstasche geschafft. Entweder er verweilte im Kofferraum oder – noch blöder – im Regen auf dem Campingplatz. Jedenfalls fiel mir das klassischerweise erst in der Umkleide auf, worauf ich aus dem Effekt heraus etwas in mich hinein fluchte. Ohne auch nur im Ansatz daran zu denken, klopfte es kurz danach auf meine Schulter, und stämmiger Karateka gab mir seinen Ersatzgürtel, den er ja immer dabei hat, für solche Situationen, wenn mal “geschlampert“ wird. Dankbar und erleichtert nahm ich natürlich an, logisch! Jedoch wollte ich meinen eigenen Gürtel schnell wieder in den Händen halten, daher musste ich mich nach der ersten Einheit vergewissern. Im Kofferraum war er schonmal nicht. Ich ging also danach zu einer Orga-Person, und ja: Hier wurde ein Gürtel gefunden und abgegeben. Dieser wurde allerdings auch kurz danach wieder an eine Dame weitergegeben, die heute ihren Gürtel vergessen hatte. Sie würde sich aber bestimmt nach der zweiten Einheit wieder melden. Der nette Karateka aus Magdeburg war zufällig auch Braungurt, und bot mir an, vor der zweiten Einheit eine kleine Ansage zu machen, dass sich die Dame gleich danach bei mir melden solle. Gesagt- Getan. Wir wurden vermittelt, konnten beide vorher unsere zwei Einheiten trainieren, dank des netten Spenders, und ich hatte meinen Gürtel wieder! Karatekas sind die besten!

Mitreißende Unwucht

Irgendwie knisterte es in der Halle, denn es war für einige die letzte Einheit des Kata-Spezial und hier will man natürlich nochmal alles geben.

Ein gut gelaunter Julian Chees teilte die Gruppe, ähnlich wie Osterkamp bei der Tekki-Nidan, in zwei Gruppen, sodass mittig ein breiter Graben entstand, den Chees nutzte, um die Übungen vorzumachen und gut gesehen zu werden. Wie immer sehr witzig und unterhaltsam brachte er uns den Ablauf und dann einige begleitende Trockenübungen aus der Gojushio-Sho bei. Eine interessante Stelle war die Wendung nach der Kernsequenz mit den beiden Nukite-Stichen in die Wurfbewegung im Kiba-Dachi. Es sollte an eine zurückreißende Hikite-Bewegung gedacht werden, die es hier eigentlich nicht gibt, um aber dafür die Unwucht der Rotation um die rechte Hüfte zu verstärken, ähnlich wie bei einem hergestellten Ungleichgewicht, in das man hineinfällt.

Ein sehr spannender Ansatz, den man in anderen 270°-Drehungen auch mal anwenden könnte.

Danke, Julian Chees!

Vergessliche Kellner und vergessene Songs

Nach dieser tollen Einheit hatten wir noch ein bisschen Verschnaufpause, ehe wir uns dann nochmal zur Einkehr verabredeten. Ein italienisches Restaurant im Industriegebiet, gleich um die Ecke sollte es sein.

Der Kellner war vermutlich etwas überfordert mit dem Aufnehmen der Bestellung von 9 Personen, verteilt auf 2 Tische, denn er ließ uns ganze 2,5 Stunden warten, bis wir das Essen bekamen. Immerhin gab es einige Sambucca und Espressi aufs Haus und unsere Stimmung war irgendwie merkwürdig erheitert.

Nach dem Restaurantbesuch machten wir uns auf den Weg zurück zur Veranstaltung. Die Stimmung dort war noch etwas verhalten. Wir hatten also nichts verpasst. Nach der Ehrung der Trainer durch die Ausrichter nahm das ganze dann aber langsam Fahrt auf.

Die Leute tanzten, besser gesagt, sie tanzten Standard: also Disco-Fox! Da muss man erstmal darauf klarkommen.

Auch der DJ war etwas speziell. Es ist ja wahrlich eine Kunst, immer auf dem Peak der Stimmung, selbige mit einer Ballade wieder umzudrehen. Irgendwie fühlte sich fast jeder zweite Song als Rausschmeißer an, aber das macht es ja wieder lustig! Selbst Ochi tanzte ein bisschen in der Runde zu den fast vergessenen Songs der 70er, 80er und 90er mit. Gegen 2 Uhr war dann Schluss.

Jedenfalls hatten wir auf der Rückfahrt wieder stampfende Gitarrenriffs von Rammstein als Kontrastprogramm auf der Playlist (Danke, Thomas!).

Auch auf dem Campingplatz ging es noch kurz weiter, da ein paar Nachbarn bis spät noch einen 50er feierten und entsprechende Musik (Die Atzen – das geht ab) noch lange anhalten sollte. Das war doch ein schöner Ausklang!

lieb und gütig die letzte Festung erstürmt

Nachdem wir früh morgens alle Zelte abgebaut und den Camping-Krempel größtenteils verladen hatten, wollten wir es nochmal wissen und begaben uns in die letzte Einheit. Diese Mal waren wir Gäste in der Unterstufe, die Bassai Dai und Jion liefen. Sehr hohe Katas, wenn man bedenkt, dass auch Weißgurte dabei waren. Chapeau – Vor allem aber auch Julian Chees, der dies mal wieder mit viel Geduld und guter Laune passend vermitteln konnte, sodass auch selbst die höhergraduierten “Gäste” auf die Kosten kamen und sogar noch gefordert wurden durch eine kleine Extra-Demonstration. Ein super Abschluss des Trainings!

Aufbruch

Etwas übermüdet und kaputt aber sehr erfüllt machten wir uns auf den Weg Richtung Bahnhof und traten die Rückreise an.

Es war eine sehr lehrreiche, intensive und erfüllende Veranstaltung mit tollen Gesprächen, im Austausch mit anderen Karatekas und Dojos und sehr lustigen Momenten trotz wechselhaftem Wetter. Das hat Spaß gemacht!

Wir sehen uns nächstes Jahr dann in Wangen!

Oss.